Kolumne von Rudolf Strahm in Handelszeitung
28. September 2023 Seite 16
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Fast jeder fünfte Renten- und Kapitalleistungsfranken geht jedes Jahr verloren
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Alle kennen das Narrativ: In der Zweiten Säule zahlen die Jungen für die Pensionierten. Die eidgenössische Oberaufsichtskommission zum BVG (OAK-BV) errechnete für 2019 mit einer kalkulatorischen „Umverteilung“ von 7 Milliarden Fr von Jung zu Alt. Mit dem raschen Zinsanstieg der SNB, von dem die Pensionskassen stark profitieren, ist diese „Umverteilung“ 2021 mit 0.2 Mrd.Fr fast verschwunden. Im 2022 ist sie gänzlich weg. Damit brach die Hauptbegründung für die Senkung des Umwandlungssatzes in sich zusammen.
Mein Fokus in dieser Kolumne liegt anders. Er zielt auf die hohen strukturellen Verwaltungs- und Vermögensverwaltungskosten der Zweiten Säule. In den BVG-Einrichtungen versickern rund 8 Milliarden Rentenfranken pro Jahr in der Banken- und Finanzszene. Dies entspricht fast jedem fünften Renten- und Kapitalleistungsfranken. Dazu herrscht in der BVG-Szene eine Omertà, eine Kultur des Schweigens und Verdrängens.
Ich stütze mich nicht auf jenes journalistische Buch, das einen Rentenklau von 20 Milliarden behauptet. Die folgende Kostenaufstellung für das Jahr 2021 (es gibt keine aktuellere) stammt aus den offiziellen Quellen, nämlich aus der BFS-Pensionskassenstatistik und aus den Erhebungen, die von der Beratungsfirma c-alm im Auftrag der OAK-BV erstellt worden sind. (Die Firma c-alm publiziert ihre Erhebungsresultate unter dem Signet pensionpeers.ch.) Diese Daten sind sind aber nicht für jede Kasse einzeln zugänglich. Hier sind nur die aggregierten Zahlen für 2021:
Erstens, die eigenen Verwaltungskosten der rund 1400 Vorsorgeeinrichtungen betrugen 981 Mio. Franken (entsprechend 8 Basispunkten oder 172 Fr. pro aktiven und pensionierten Versicherten).
Zweitens, die Vermögensverwaltungskosten (autonom und rückgedeckt) wurden insgesamt mit 6‘457 Mio. Fr ausgewiesen, was im Durchschnitt 48 Basispunkte oder 1130 Fr. pro Versicherten ausmachte. Sie versickern bei Vermögensverwaltungen, Banken, Hedgefonds und variieren extrem von Kasse zu Kasse zwischen 20 und 80 Basispunkten. Die Gemeinschaftseinrichtungen und Sammelstiftungen gehören mit 70 bis 80 Basispunkten zu den teuersten.
Drittens, die Kostenprämien, die einzelne Pensionskassen (nur ein Teil von ihnen) an die Lebensversicherungsgesellschaften für die Rückdeckung entrichten müssen, belaufen sich auf weitere 708 Mio Fr. (6 Basispunkte oder 124 Fr. pro Kopf)
Zusammengezählt sind 2021 gemäss pensionpeers.ch/c.alm/OAK total 8,146 Milliarden Franken in der 2.Säule versickert. Im Durchschnitt waren es 62 Basispunkte oder 1426 Franken pro PK-Versicherten und Jahr. Das entsprach fast jedem fünften Renten-und Kapitalleistungsfranken des Jahres 2021!
Wir haben nie eine staatliche Deckelung dieser Einzelkosten gefordert, aber eine Veröffentlichung mit einer vergleichbaren Kennzahl für alle Kassen, wie wir sie bei den KV-Prämien kennen. Eine solche Transparenz würde einen heilsamen Wettbewerbsdruck auf die hohen Sickerkosten, etwa bei Hedgefonds und Vermögensverwaltungen, bewirken, vielleicht leider auch einen Fusionsdruck auf die kleinen Kassen ausüben.
Als Kennzahl zur Vergleichbarkeit der Vermögensverwaltungs- und Verwaltungskosten (zusammengezählt) der einzelnen Kassen käme entweder das Kostentotal in Prozent des Gesamtkapitals in Frage, oder in Prozent der jährlichen Rentenleistungen oder in Franken pro Versicherten und Jahr.
Es bräuchte keine Gesetzesänderung. Denn die BVG-Einrichtungen müssen diese Kosten offenlegen. Eine Weisung des EDI an das Bundesamt für Statistik würde genügen. Die Pensionskassenszene hat bisher alles getan, dass diese Ziffern im Kleingedruckten der Kassenberichte versteckt bleiben. Doch die Kostenfrage wird nächstes Jahr wohl zum Abstimmungsthema werden.
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Rudolf Strahm ist ehemaliger Preisüberwacher und ex SP-Nationalrat