Kolumne von Rudolf Strahm in der Handelszeitung vom 7. 3. 2021 Seite 14
Jordans Rücktritt bietet die Chance für eine SNB-Reform. Dafür bräuchte es ein erweitertes Direktorium : mehr Mitglieder mit anderen Sichtweisen.
Wenn Thomas Jordan im kommenden Sommer als Präsident des Direktoriums der Nationalbank zurücktritt, wird er eine gravierende Lücke in der Leitung hinterlassen. Jordans konservative, ängstliche Personalpolitik ist dafür mitverantwortlich.
Jordans Nachfolger im dreiköpfigen SNB-Direktorium wird Martin Schlegel sein, der bankintern als sein „Zögling“ gilt. Es gibt keine andere Wahl, denn der Dritte im Direktorium, Antoine Martin, ist erst seit zwei Monaten im Amt. Jordan pflegte keinen Pluralismus. Letztes Jahr gab es sieben Beförderungen in Führungspositionen: sechs Männer und eine einzige Frau!
Die Nationalbank ist die einflussreichste Wirtschaftsinstanz im Lande. Laut Bundesverfassung und Gesetz ist das Dreierdirektorium in der Geld- und Währungsfragen unabhängig. Das ist richtig und auch von niemand bestritten. Wenn es aber um die Corporate Governance, um die Kapitalhaltung der Bank oder um die Gewinnausschüttung geht, ist sie nicht unabhängig. Denn in der Bundesverfassung, Artikel 99, heisst es klar: Die Schweizerische Nationalbank „wird unter Mitwirkung und Aufsicht des Bundes verwaltet“.
Mit dem Unabhängigkeitsmantra immunisiert sich das SNB-Direktorium gegen Kritik. Viele Journalisten stehen in geistiger Achtungsstellung und beten selbst dann das Unabhängigkeitsdogma nach, wenn es etwa um Gewinnausschüttungen geht. Symptomatisch ist, wie sich die Nationalbank diese Woche gegenüber Journalisten weigerte, auf die Reformvorschläge des „SNB-Observatoriums“, der hochrangigen Expertengruppe, einzugehen. Solche Arroganz kann sich heute kein Konzern und kein Regierungsgremium mehr erlauben.
Seit der Gründung 1907 besteht das oberste Direktorium der SNB unverändert aus drei Personen. Kein anderes Hartwährungsland leistet sich das Risiko einer so schmalen Führungsspitze der Notenbank als wichtigster Wirtschaftsbehörde des Landes. In der SNB bräuchte es gerade auch wegen ihrer Unabhängigkeit einen internen Pluralismus an Sichtweisen mit fünf bis sieben Direktionsmitgliedern.
Zur Governance gehört auch Transparenz. Die meisten Notenbanken der grossen westlichen Länder veröffentlichen heute sogar die Protokolle ihrer Diskussionen im Führungsgremium. In der SNB herrscht demgegenüber geradezu Omertà, eine Kultur des Schweigens und Unterordnens.
Auch die Gewinnausschüttung der Nationalbank gehörte klar nicht unter die Unabhängigkeit. Es ist eine bizarre Praxis, dass die Gewinnausschüttung mit einer „Vereinbarung“ zwischen SNB-Direktorium und Finanzdepartement ad hoc ausgehandelt wird und die SNB faktisch selber entscheidet; – was natürlich alle Libertären erfreut und zu Verteidigern des Systems macht. Das SNB-Observatorium hat vorgerechnet, dass die SNB angesichts der Rückstellung für ihre Währungsreserven von 113 Milliarden Franken auch dieses Jahr 6 Milliarden locker wie in den früheren Jahren an die Kantone und den leidenden Bund ausschütten könnte.
Solche Reformen in der SNB-Governance müssten von innen kommen oder vom Bundesrat zusammen mit der SNB-Führung angestossen werden. Deshalb ist es jetzt wichtig, dass ein drittes Direktionsmitglied mit einer andern Sichtweise von aussen stammt. Bei dieser Richtungswahl hat die Vorsteherin des Eidgenössischen Finanzdepartements eine Schlüsselrolle.
(Handelszeitung vom 7.3.2024 Seite 14)