Bessere Chancen für Arbeitslose

Kolumen in Tagesanzeiger/Bund vom 25.07.2017

Die vom Volk angenommene, politisch polarisierende Initiative gegen Masseneinwanderung kann doch noch zu einer produktiven Lösung führen. Die Chancen von Arbeitslosen werden mit dem Inländervorrang verbessert. Dies zeigt der Vernehmlassungsentwurf des Bundesrats zum Vorrang von einheimischen Stellensuchenden.

Die Praxis der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) wird sich mit dem Inländervorrang stärker auf die Vermittlung von inländischen Stellensuchenden ausrichten. Arbeitgeber bei Berufen mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit müssen ihre offenen Stellen dem RAV melden, bevor sie Personen im Ausland rekrutieren. Der öffentlichen Arbeitsvermittlung müssen sie einen zeitlichen Vorsprung von fünf Arbeitstagen einräumen, damit ihnen die RAV aus ihrer Liste der Stellensuchenden geeignete Bewerbungsdossiers melden können. Derzeit sind bei allen RAV rund 200’000 Stellensuchende registriert.

Die Arbeitgeber sind verpflichtet, diese Bewerbungsdossiers zu überprüfen und geeignete Stellensuchende zu einem Bewerbungsgespräch oder einer Eignungsabklärung einzuladen. Die Nichtanstellung müssen sie nicht begründen, aber dieser Vorrang gibt inländischen Arbeitslosen (Schweizern und Ausländern) immerhin die Chance, überhaupt wieder in Bewerbungsverfahren einbezogen zu werden. Unzählige Stellensuchende mussten sich bisher 30, 50 oder gar 100 Mal bewerben, ohne je zu einem Bewerbungs­gespräch eingeladen zu werden.

Dieser Inländervorrang ist zwar keine Garantie für Arbeitslose. Aber er wird bei den anständigen Schweizer Arbeitgebern sicher zu einem Kulturwandel führen: Sie werden vermehrt wieder auf den Schweizer Arbeitsmarkt zurückgreifen. Seit der Preisgabe des Inländervorrangs Mitte 2007 haben manche Unternehmen immer häufiger (meist billigere) Arbeitskräfte aus dem Ausland angestellt.

Verdrängungseffekt ist bewiesen

Eine Liste, die am 28. Juni 2017 auf der Homepage des federführenden EJPD aufgeschaltet worden ist, zeigt die bisherigen Verdrängungseffekte gegenüber einheimischem Personal durch die Personenfreizügigkeit. Hier einige Verdrängungszahlen aus dem Jahr 2016:

Unter den Hilfskräften im Baugewerbe waren zwar 3200 Arbeiter oder 18% im Inland arbeitslos, aber gleichzeitig wurden 6045 neue Arbeitskräfte im Ausland rekrutiert.

Beim Reinigungs- und Wäschereipersonal gab es 17,9% Arbeitslose, dennoch wurden neu 1501 aus dem Ausland geholt.

Beim Servicepersonal im Gastgewerbe war die Arbeitslosenquote 10,5%, aber es wurden 9008 Servicepersonen neu aus dem Ausland geholt, und zusätzlich 8305 Ausländer als Küchenpersonal.

Die Landwirtschaft mit 9,6% Arbeitslosigkeit unter den Hilfskräften holte sogar 8104 meist unqualifizierte Personen aus dem Ausland, neu vornehmlich solche aus Osteuropa.

Wer behauptet hatte, die Personenfreizügigkeit verursache hierzulande keine Verdrängung von Inländern (Schweizern und Ausländern) aus dem Arbeitsmarkt, wird durch diese eklatanten Zahlen widerlegt. Laut einer Erhebung der Zürcher Volkswirtschaftsdirektion werden nur 20% aller zugewanderten Arbeitskräfte in jenen Branchen angestellt, die einen echten Fachkräftemangel vorweisen. Die Rechtfertigung der Migration mit dem angeblichen Fachkräftemangel war eine wohlfeile Ausrede des Seco und der interessierten Verbände. Die Personenfreizügigkeit wurde auch zum Einfallstor für Niedrig­qualifizierte in den strukturschwachen Branchen mit tiefster Produktivität.

Damit der Inländervorrang für Arbeitslose gezielt wirkt und nicht unnötige Umtriebe verursacht, soll er gemäss Bundesrat jene Berufsarten gezielt erfassen, in denen die Arbeitslosigkeit 5% oder mehr beträgt (sie liegt derzeit im Durchschnitt bei 3,1%). Damit werden 88 von 389 Berufsarten der Stellenmeldepflicht unterstellt. Bei 7 von 10 Stellenbesetzungen ändert sich nichts. Die Liste der meldepflichtigen Berufsarten soll jedes Jahr der Arbeitsmarktrealität angepasst werden.

Das Parlament hatte ausdrücklich beschlossen, dass die Stellenmeldepflicht bei jenen Berufsgruppen gelten soll, die mit ihrer Arbeitslosigkeit «über dem Durchschnitt liegen». Die Gegner des Inländervorrangs wollten diese Pflicht jedoch nur «bei erheblich über dem Durchschnitt liegender Arbeitslosigkeit». Diese Aufweichung wurde aber klar abgelehnt.

Es ist deshalb eine undemokratische Parlamentsverhöhnung, wenn Exponenten des Seco und des Arbeitgeberverbands nun eine Meldeschwelle von 8 statt 5 Prozent fordern. Das würde heissen, dass nicht einmal jede zehnte offene Stelle meldepflichtig würde. Ausgerechnet strukturschwache Branchen mit hoher Zuwanderung von Ungelernten würden aus der Meldepflicht fallen: Letztes Jahr wurden nämlich 3219 Hausangestellte, 2350 Reinigungspersonal und 2365 Verkäuferinnen aus dem Ausland geholt, obschon es von ihnen hier über 5% Arbeitslose gab. Genau diese Art von unqualifizierter Zuwanderung wollte das Parlament behindern.

Arbeitschancen für Flüchtlinge

Mit der neuen Vorlage wird auch die Chance eröffnet, Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene in niederschwelligen Arbeitsfeldern vorübergehend zu beschäftigen. Deshalb ist die Meldepflicht auch für 14-tägige Kurzzeiteinsätze, etwa als Erntehelfer oder Traubenleser, absolut sinnvoll. Die abgeschottete, hoch subventionierte Landwirtschaft beschäftigt 30’000 ausländische Hilfskräfte. Gleichzeitig gibt es bei uns rund 80 000 gesunde junge Männer im Asylbereich, die untätig und ohne feste Struktur herumhängen.

Matchentscheidend für den Erfolg dieses Vorrangs für hiesige Stellensuchende und Arbeitslose ist die Qualität und Qualifikation der Personalberater in den öffentlichen Arbeitsvermittlungsstellen RAV. Diese arbeiten heute schon sehr kompetent. Aber der Abgleich des vom Arbeitgeber gemeldeten Stellenprofils mit dem Kompetenzprofil des Stellensuchenden stellt hohe fachliche Anforderungen. Das erfordert eine gezielte Personalschulung und unter Umständen eine Ausgliederung in einen kantonalen Arbeitgeberservice, der enge und kooperative Kontakte mit den Firmen pflegt.

Der Bundesrat hat vorgerechnet, dass etwa 270 zusätzliche RAV-Personalberaterinnen nötig sein werden, mit Zusatzkosten von 40 Millionen Franken. Eine arbeitslose Person kostet pro Jahr 37’000 Franken. Wenn, vorsichtig gerechnet, nur schon zehntausend Arbeitslose eine Beschäftigung finden, ist die jährliche finanzielle Entlastung der Arbeitslosenkasse zehnmal höher.

Die EU hat gegen diese Form von Inländer­vorrang keine gewichtigen Vorbehalte mehr angemeldet, auch nicht gegen die Meldeschwelle von 5%. Immerhin praktiziert ausgerechnet Luxemburg, das Stammland von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, einen strengen Inländervorrang mit einer totalen Stellenmeldepflicht – ohne jede Meldeschwelle! (Tages-Anzeiger)

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