Kolumne im Tages-Anzeiger – Dienstag, 8. Juli 2014
Die Schlagzeilen zur Credit Suisse sind verschwunden und vergessen. Das Kurzzeitgedächtnis leistet in der Medienflut effiziente Verdrängungsarbeit. Fest steht: Die Credit Suisse zahlt in den USA 2,8 Milliarden Dollar Busse für ihre Vergehen, sie bekennt sich als «kriminelle Organisation» schuldig, und sie kann – mithilfe der politischen Fürsprache von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf – die amerikanische Bankenlizenz behalten.
Nun ist man bemüht, rasch einen Strich unter die Affäre zu ziehen und zur Tagesordnung überzugehen. Doch gerade jetzt – nach einer Denkpause – ist nach den Konsequenzen zu fragen. 2,8 Milliarden Franken Bussen mit einer Schuldanerkennung für schwerste Gesetzesverletzungen – und dafür will niemand in der obersten Bankleitung verantwortlich sein? Bloss ein Dutzend Kundenberater seien schuldig, so die Aussage der CS-Vertreter vor dem US-Senat. Rund 1000 Namen von Bankmitarbeitern lieferte die CS-Führung ohne deren vorgängige Information an die USA-Justiz aus.
Die heutigen CS-Chefs haben in ihrer Abwehrstrategie alles unternommen, um sich persönlich aus der Schusslinie zu nehmen und die Verantwortung auf die Mitarbeiter abzuwälzen. «Persönlich haben wir eine weisse Weste», sagte der heutige Verwaltungsratspräsident Urs Rohner gegenüber Radio SRF .
In der Zeit der Steuerfluchthilfeaktionen der CS war Rohner als oberster Chef der Rechtsdienste gewiss auch direkt mit der Steuerrechtsfrage in den USA und mit der bankinternen Compliance – also der Einhaltung von Regeln – befasst. Rohner will als oberster Chef des Rechtsdienstes nichts von den Steuerfluchtgeschäften und den Compliance-Verstössen in seiner Bank gewusst haben. Nichts von immerhin 22 900 amerikanischen CS-Kunden und deren 11 Milliarden Dollar Privatvermögen.
Sollte er wirklich nichts gewusst haben, müsste man fragen: Was sind denn das für Chefs, die derart grosse Boni kassieren und nicht wissen, was in ihrem Laden läuft?
Mit Gerüchten und zwielichtigen Einträgen in Blogs wird jetzt versucht, den heutigen CEO Brady Dougan für das Debakel verantwortlich zu machen. Es wird gegen ihn seit Wochen eine Kampagne auf der Basis von Gerüchten geführt. Gewiss ist er für die Bankstrategie mitverantwortlich – und mit kumuliert über 100 Millionen Franken Boni dafür auch (über)bezahlt. Aber zur Zeit der krummen Touren bei der Hilfe zur Steuerflucht war er Chef des Investmentbankings, und dieses hat mit Steuerflucht wenig zu tun. Jetzt wurde er als Bauernopfer auserkoren.
Ab 2011 war Rohner als Verwaltungsratspräsident federführend für die politischen Verhandlungen mit dem Bund und den USA. Mehrmals kreuzte er bei den Bundesräten auf, forderte die Lieferung von Daten der Bankmitarbeiter, worauf die Regierung 2012 spurte. Er gab machtbewusst den Tarif für die Verhandlungen mit den USA durch.
Rohner war direkt verantwortlich für den juristischen Eiertanz und die zweijährige Verzögerung des Deals mit den USA. Die Busseneskalation kam gerade deshalb zustande, weil die US-Justiz die Verzögerungstaktik der CS als «unkooperatives Verhalten» abstrafen wollte.
Warum hat man in der CS all diese Regeln im Umfeld missachtet und versagt? Weil man als «Master of the Universe» an seinen Einfluss glaubte. Weil man das Verhalten der US-Justiz schlicht falsch einschätzte, weil man die Unterstützungsmöglichkeiten von Bundesbern falsch beurteilte, weil man aus der Finanzkrise nichts gelernt hatte. Weil man, wie eh und je, auf die eingebetteten Journalisten, auf Sportund Kultursponsoring und auf das politische Beziehungsnetz vertraute. Macht heisst eben auch, nicht lernen zu müssen.
Wie ich vor jeder Kolumne mit Akteuren zu sprechen pflege, habe ich auch mit Verantwortlichen der CS und der Aufsicht geredet. Niemand von ihnen bestreitet die primäre Verantwortung von Urs Rohner und dessen Fehlleistungen. Doch man könne, so der Tenor, in dieser unsicheren Situation nicht die Spitze der Bank auswechseln. Bei der nächsten ordentlichen Generalversammlung im Jahr 2015 kann dieses Argument nicht mehr gelten.
Die CS gehört heute zu 75 Prozent ausländischen Aktionären: unter anderen Grossinvestoren aus Saudiarabien, Katar, Norwegen, der weltgrössten Investmentfirma Blackrock. Nur drei von zwölf Mitgliedern des Verwaltungsrats sind Schweizer. Sie aber müssten die Initiative und Verantwortung zur Suche nach einer neuen glaubwürdigen Bankenspitze übernehmen.
Laut Gesetz darf die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) keine Bussen aussprechen. Doch sie hätte eine ebenso wirksame Sanktion gegen die Täuschungskultur der Banker in der Hand: die Prüfung der «Gewähr für einwandfreie Geschäftsführung » der obersten Bankpersonen, die sogenannte Gewährsprüfung.
Im Fall CS begnügte sich die Finma, auf die Untersuchung des von der CS-Leitung beauftragten Zürcher Anwalts Peter Burckhardt abzustellen. Einen eigenen Prüfauftrag erteilte sie nicht. Eine solche Aufsichtspraxis ist nichts wert. Mit dieser laxen Schonkultur gegenüber der CS und ebenso gegenüber der jüngst in den USA angeschuldigten Genfer BNP Paribas schadet sich die Finma selbst. Jetzt muss sie sich vom rechtsbürgerlichen Wirtschaftsredaktor Beat Schmid als «das Schosshündchen der Geldbranche » verhöhnen lassen. Noch mehr: Ihre Willfährigkeit schadet letztlich dem ganzen Bankenplatz und dem Ruf der Schweiz.
Wenn die Finma sich national und international als glaubwürdige Bankenaufsicht etablieren will, ist eine konsequente persönliche Gewährsprüfung der Bankchefs und deren Veröffentlichung erstes Gebot. Das könnte sie nämlich heute schon in Anwendung des Bankengesetzes tun. Die persönliche Verantwortung der Wirtschaftsführer sollte wieder zum Tragen kommen.
Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.