Unser Problem mit dem Franken

Kolumne Strahm  für Unternehmerzeitung. Januar 2011

Unser Problem mit dem Franken

„Der Euro im Absturz“. „Der Euro im freien Fall“. „Euro vor dem Kollaps.“ So lauteten die Schlagzeilen für eine Kursentwicklung, die der schweizerischen Exportwirtschaft so viel Sorge und der Politik so viel Hilflosigkeit beschert.

Bei der Beurteilung wirtschaftlicher Entwicklungen kommt’s immer auf die Brille des Analytikers und dessen Interessenlage an. Man kann das Phänomen des „schwachen Euro“ auch anders sehen:

Erstens wird die Schwäche des Eurokurses von der europäischen Industrie nicht als Schaden, sondern als Glücksfall betrachtet. Der deutschen, österreichischen, holländischen, französischen Industrie konnte nichts Besseres widerfahren als die Abwertung ihres Euro um 15 bis 20 Prozent. Denn sie können leichter und billiger exportieren und sich kostenmässig Luft verschaffen.

Zweitens ist die so genannte Schwächung des Euro im globalen Vergleich vielmehr eine Aufwertung des Frankens. Denn die Parität zwischen dem Euro und dem Dollar hat sich, von Schwankungen abgesehen, seit Mitte des letzten Jahrzehnts nicht erheblich verändert. 2005 kostete ein Euro rund 1.25 Dollar, und jetzt bewegt er sich wieder bei 1.30 Dollar. Dagegen ist der Franken sowohl gegenüber dem Euro wie auch gegenüber dem Dollar massiv gestiegen. Das Problem sind also die Frankenaufwertung und nicht die sinkenden Kurse von Euro und Dollar.

Ein dritter Aspekt erklärt auch das Überschiessen des Frankenkurses, nämlich die Währungsspekulation. Gewiss war das verschwundene Vertrauen in die südeuropäischen Schuldnerländer der fundamentale Ausgangspunkt der Spekulation gegen den Euro. Doch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hat mit ihren im Dezember veröffentlichten Zahlen über die spekulativen Devisentransaktionen auch den Grund für das Überschiessen der Kursentwicklung geliefert: Weltweit werden täglich im Durchschnitt 4000 Milliarden Dollar Wechselkursgeschäfte getätigt. Davon belaufen sich die Wechselgeschäfte zwischen dem Franken und den andern Währungen auf rund 250 Milliarden Dollar täglich. Und davon erreichen allein die Devisentransaktionen zwischen Franken und Euro 72 Milliarden pro Tag. Wohlverstanden: pro Tag! Das ist über hundert  mal mehr als der Devisenverkehr durch Importe und Exporte. Das Sekundentrading und die gewaltigen Leverage-Geschäfte bewirken einen viel grösseren Kursanstieg als zum Beispiel die Fluchtgelder, die den sicheren Hafen der Frankenzone suchen.

Pikant ist, dass sich die UBS rühmte, als weltweit zweitgrösste Akteurin im Währungsgeschäft mit Devisenhedging und andern spekulativen Währungstransaktionen zu wirken. Die eben vom Staat gerettete Bank verdient ihr Geld auch mit Spekulationen gegen den Franken! Jetzt, wo die Kritik gegen sie auftaucht, versucht sie den Frankenkursanstieg mit den Vertrauensverlusten des Euro zu rechtfertigen.

Für die exportierende Wirtschaft jedenfalls ist die Wechselkurssituation schmerzhaft und schädlich. Wer sich als Exporteur behaupten will, muss in noch mehr Qualitätsproduktion und Hochpreisprodukte ausweichen. Von der Geld- und Währungspolitik ist nicht viel Support zu erwarten. Die Nationalbank hat ihre guten Absichten für die Realwirtschaft gezeigt und musste dann gegenüber den gigantischen spekulativen Kräften kapitulieren. Mit der Folge, dass sie jetzt von der Finanzwelt mit Häme überschüttet wird.

Diese Erfahrungen zeigen auch die Grenzen der unilateralen Handlungsmöglichkeiten für die Schweiz und für die Geld- und Währungspolitik die Nationalbank. Nur eine internationale Kooperation unter den Währungsbehörden hätte eine Chance. Doch die meisten andern OECD-Staaten haben derzeit kein Interesse, die Abwertung ihrer Währung zu verhindern.
Solange nicht eine internationale Währungskooperation zur Korrektur dieser speziellen Euro-Franken-Kursentwicklung zustande kommt, sehe ich als Ultima ratio nur die eine begrenzte Möglichkeit für die Nationalbank: Sie könnte für die schweizerischen Exporteure und Hotels mit Auslandgästen vorübergehend einen Exporteurenkurs, zum Beispiel von 1.40 Franken pro Euro, gewähren. Die Exporteure müssten dazu ihre Exportbelege bei der Nationalbank vorweisen. Nachteil ist, dass bald ein Schwarzmarkt und Umgehungsgeschäfte entstehen. Deshalb wäre eine solche Lösung nur zeitlich befristet als Überbrückung möglich.

Es ist unbestritten, der Frankenkurs ist zurzeit massiv überbewertet und liegt weit über einer fairen Kaufkraftparität. Das spekulativ bedingte Überschiessen wird sich korrigieren. Die Zuversicht ist nicht ganz abwegig, dass sich das Euro-Kursverhältnis für unsere Exporteure wieder verbessert, wenn die Spekulanten kalte Füsse bekommen.

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