Noten für die Banken

Kolumne Rudolf Strahm für Schweizerische Gewerbezeitung, SGZ , vom 11.  März 2011.  (Organ des Schweizerischen Gewerbeverbands SGV)

Noten für die Banken

Warentests von „k-tipp“, „Saldo“ und TCS, kritische Konsumentensendungen wie „Espresso“ und „Kassensturz“ haben, kombiniert mit der europäischen Produktehaftpflicht, zu ständigen Qualitätsverbesserungen von Konsumgütern und zur besseren Marktübersicht für Konsumenten beigetragen.

Bei Konsumgütern haben wir heute eine Art Garantiekultur. Doch wie steht es bei Finanzmarktprodukten und Geldanlagen? Dort gibt es keine vergleichbare Qualitätskontrolle. Im Anlagebusiness und Private Banking ist vielmehr eine Täuschungskultur mit einer Disclaiming-Praxis entstanden. Disclaiming heisst: Risikoüberwälzung auf den Kunden.

Seit drei Jahren testet die Wirtschaftszeitschrift „Bilanz“ die Beratungsqualität der Banken gegenüber Privatanlegern. Gerade für KMU-Inhaber oder solche, die nach der Geschäftsaufgabe ihr Vorsorgekapital verwalten lassen, ist dieses Banken-Rating eine Hilfe.

Die Testanlage des „Bilanz“-Ratings ist anonym und neutral: Durch eine Treuhandfirma werden Schweizer Banken eingeladen, eine Anlageofferte für einen konkreten, nicht genannt sein wollenden Privatkunden, der sein Geschäft veräussert hat, nach allen Regeln der Kunst einzureichen. Im ersten Jahr 2008 waren es rund 2 Millionen, im 2009 rund 3,5 Millionen und im 2010  zweimal 7,5 Millionen Franken Anlagekapitel,  das dem Anlegerkunden für den späteren Lebensunterhalt nach seinem Rücktritt aus dem Geschäftsleben dienen soll.

Eine spezialisierte Firma in München, die auch die deutsche Zeitschrift „Euro“ berät, beurteilt die Anlagevorschläge; eine schweizerische Jury aus zwei unabhängigen professionellen Anlageberatern, einem Steuerexperten, einem Wirtschaftsredaktor und dem Schreibenden als ehemaligem Preisüberwacher erstellt unter der Leitung des Zürcher Finanzprofessors Thorsten Hens das Banken-Rating zur Qualität und Seriosität der Anlageberatung.

Das jüngste Banken-Rating aufgrund eines Tests der Beratungsqualität von 66 Banken ist kürzlich in der „Bilanz“ 4-2011 veröffentlicht worden. Erster Rang in der Kategorie der national agierenden Universalbanken: die Zürcher Kantonalbank ZKB. Erster Rang bei den regionalen Universalbanken: die Neue Aargauer Bank NAB. Erster Rang bei den Privatbanken: LGT. Beste Gesamtwertung aller geprüften Banken: ZKB. Bei den vorjährigen Ratings glänzten die Raiffeisenbank, die Berner, Luzerner und Aargauer Kantonalbanken sowie Julius Bär.

Die von den Banken eingereichten Anlagevorschläge für den beschriebenen Privatanleger sind mit rund 60 Kriterien bewertet, beurteilt und gewichtet worden. Zum Beispiel, ob die Anlageempfehlung aufgrund von Rückfragen bei der Treuhandfirma massgeschneidert gestaltet wurde. Oder die Beurteilung der Anlagenverteilung auf Finanzprodukte und Währungen aufgrund der angegebenen Risikobereitschaft des Kunden. Oder die Ehrlichkeit und Transparenz bezüglich Kickbacks, Gebühren, Risikoeinschätzungen. Was beim Rating fehlt, dies ist ein Mangel des Prüfungskonzepts, sind die effektiv erzielten langfristigen Anlageerträge (Performance) in der Rückschau.

Zwischen den Schweizer Banken bestehen enorme Unterschiede,  zum Beispiel bei den Vermögensverwaltungskosten (All-in Fees mit Depotgebühren, Transaktionskosten, eigenen und fremden Courtagen, usw.). Sie schwanken zwischen 0,5 und über 1,0 Prozent des Anlagekapitals pro Jahr. Zu den teuersten Offerten gehören jene der beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse. Beide  fielen nicht nur dieses Jahr sondern auch im Vorjahr aus den Topbewertungen.

Beide Grossbanken CS und UBS fielen den Vermögensberatern auch dadurch auf, dass sie zu viele Titel aus eigenen Anlagefonds resp. aus eigenen Dachhedgefonds ins empfohlene Anlageportfolio einschlossen. Diese Anpreisung von (zum Teil teuren) Eigenprodukten ist bei unabhängigen Anlageberatern verpönt. Es signalisiert mangelnde Unabhängigkeit, Neutralität und Risikostreuung der Anlagemanagements.

Beide Grossbanken CS und UBS empfahlen auch höhere Anteile an sogenannten „alternativen Anlagen“, also an hochrisikanten Anlagen in spekulativen Hedgefonds, Dachhedgefonds und Termingeschäften, obschon der Anlegerkunde von der Treuhandfirma zuvor ausdrücklich als „konservativ“ beschrieben worden war. Der Anteil von Hedgefonds-Anlageempfehlungen ist allerdings – eine positive Entwicklung – in den letzten zwei Jahren heruntergeschraubt worden.

Enorme Unterschiede zwischen Banken bestehen auch bei der Pflege der individuellen Beratung. Während einige Privatbanken und Kantonalbanken sehr detailliert auf die Kundenbedürfnisse eingingen, ihr Alter, ihren Finanzbedarf, ihre Risikoneigung beim Treuhänder durch Rückfragen in Erfahrung zu bringen versuchten, lieferten die Grossbanken Standardofferten mit eingedruckten Textbausteinen. Sie signalisierten damit ihr Desinteresse an „kleinen“ Kunden mit bloss tiefen Millionenbeträgen. Doch Privatanleger wollen individuell angepasste Lösungen. Auch deshalb fielen die Grossbanken aus der Topliste der Qualitätsbanken.

Ein besonderer Schwachpunkt bei fast allen Banken ist immer noch die Kickback-Kultur. Kickbacks oder Retrozessionen sind Entschädigungen, die der Anlage- oder Bankberater unter dem Tisch durch für seine Anlageempfehlungen erhält. Dies verfälscht den Wettbewerb. Denn der Kunde wird getäuscht, wenn er nicht weiss, dass sein Berater für seine Empfehlungen verdeckt entschädigt wird. Nach OR Artikel 400 müssten solche Vergütungen unaufgefordert ausgewiesen werden und sie gehören dem Kunden. Doch nur gerade sechs Banken erwähnten die Kickbacks und deren Zuteilung. Diesen Missstand zu regeln ist allerdings primär Sache der Finanzmarktaufsicht Finma, die bisher diese Unsitte in bankenhöriger Art und Weise zuliess. In Sachen Kickbacks hat die Finma noch ihre Hausaufgabe zu lösen.

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