Beitrag von Rudolf Strahm in der Handelszeitung vom 30. 5. 2024
Derzeit wollen es alle besser wissen, wie man die steigenden Gesundheitskosten bremsen sollte. Als ehemaligen Preisüberwacher, der sich mühsam mit der Realität von Spitalkosten, Arzttarifen und Medikamentenpreisen herumgeschlagen hatte, überraschen mich die steigenden Gesundheitskosten keineswegs. Was mich indes ins Staunen versetzt, sind die unrealistischen Kostensenkungsversprechen im Abstimmungskampf.
Da rechnen uns Zürcher Fachhochschul-Gesundheitsökonomen zusammen mit einem Beratungsbüro vom Schreibtisch aus ein Kostensparpotential von 8 Milliarden Franken im Gesundheitsmarkt vor.
Da wird auf die 38 Sparvorschläge verwiesen, die 2017 von einer Arbeitsgruppe des Bundes vorgeschlagen und nie umgesetzt worden seien. Dabei sind fast alle diese Vorschläge seither aufgegleist worden und danach einer nach dem andern im Vernehmlassungsverfahren oder im Parlament an den mächtigen Interessenlobbys abgeprallt.
Da wird von „Sparexperten“ salopp die Einschränkung des Leistungskatalogs in der KV-Grundversicherung verlangt. Das heisst, dass gewisse Therapien oder Diagnostikmassnahmen nicht mehr vergütet werden sollen. Diese Sparonkel sollten mal beschreiben, wie das ablaufen soll, wenn ein medizinischer Befund an der Ermessensfrage: „wirksam oder überflüssig?“ ansteht. Wer soll dann urteilen? Und welche medizinische Instanz soll danach im Rekursverfahren entscheiden?
Ein Innerschweizer Ständerat prahlt, sein krankes Knie sei entgegen dem Vorschlag des Orthopäden ohne teure Operation mit defensiven Massnahmen geheilt worden. Der Orthopäde sagt dazu: Man kann schon mit einer Cortisonspritze und Physio die Schmerzen wegbringen. Aber bei den häufigen Arthrosefällen melden sich die Leute einige Jahre später doch noch zur Implantat-Operation.
Da wird von Politikern und Krankenkassen zu Recht bemängelt, dass die Hausärzte zu wenig, aber die Spezialärzte und die Belegärzte in Privatspitälern viel zu viel verdienen. Das neue Arzttarifsystem Tardoc, das dies ausgleichen sollte, wird seit zehn Jahren verhandelt und zerredet. Als die FMH ihre „einstimmige Zustimmung“ zum ausgehandelten Resultat beschloss, waren aber die Arzttarife so „austariert“, dass alle Ärztegruppen mehr verdienten. Das Departement des Innern konnte nur noch die Reissleine gegen diese Zusatzkostenbombe ziehen.
Ich bin mit Anderen aus Erfahrung überzeugt, dass die Gesundheitskosten um durchschnittlich 2 bis 3 Prozent pro Jahr real weiterhin anwachsen werden. Denn die Alterung geht weiter und neue Therapie- und Diagnostikmethoden will niemand verhindern. Dieses Kostenwachstum per Verfassung an die (tiefere) Lohnentwicklung zu binden, ist völlig unrealistisch!
Somit bleibt, wohl als realistische Resignationslösung, der weitere Ausbau der Prämienverbilligung, gezielt für die Einkommensschwachen. Die Entlastung sollte nicht auf dem hohen Standard-Prämienniveau gemäss BAG (KV-Prämien ohne Rabatte für eingeschränkte Arztwahl) basieren, sondern auf dem günstigsten KV-Prämienmodell mit einer Managed-Care-Lösung (HMO). Das würde die Selbstverantwortung honorieren und die Hausärzte als Gatekeeper und Schlüsselpersonen aufwerten. Und damit das Gesundheitssystem effizienter machen.
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Der Gastautor Rudolf Strahm ist ehemaliger Preisüberwacher und Ex-SP-Nationalrat.