Kolumne im Tagesanzeiger und Bund vom 16. Juli 2013
Es wäre vermessen und ungerecht, als Aussenstehender ein Urteil zum Strafverfahren gegen Bruno Frick abzugeben. Tatsache ist, dass der ehemalige CVP-Ständerat sein Amt als Verwaltungsratsmitglied der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma auf den 1. August antreten will, obschon gegen ihn ein Strafverfahren zu Finanzgeschäften hängig ist.
Bruno Frick war bisher Multi-Verwaltungsrat und Pöstchensammler, seine Anwaltskanzlei war schon früher in Finanzaffären verstrickt, mit Hedge Fonds und ausländischen Briefkastenfirmen im Geschäft und im Vermögensverwaltungsbusiness verhängt. Und nun soll er in der Aufsichtsbehörde über die Sauberkeit des Finanzplatzes urteilen.
Begründete Besorgnis
Doch der «Fall Frick» ist im Grunde ein «Fall Finma». Was hat denn eine Person, die in der Finanzbranche derart stark involviert ist, in der Aufsichtsbehörde für eben diese Branche zu suchen?
Fricks Wahl ist für die Finma gewiss nicht vertrauensbildend. Warum müssen im siebenköpfigen Finma-Verwaltungsrat die Bankenbranche, die Versicherungswirtschaft, die Vermögensverwalter und mit Bruno Frick auch noch die Geldwäscherei-Selbstregulierungsorganisationen vertreten sein?
Diese Interessenvertretungen haben doch zur Folge, dass sich jeder für die Schonkultur gegenüber «seiner» Branche einsetzt. Die Kontrollierten kontrollieren ihre Kontrolleure. Die Präsidentin der Finma, Anne Héritier-Lachat, ist integer und als unabhängige Juristin kompetent, aber gegenüber dem fünfhundertköpfigen Finma-Sekretariat durchsetzungsschwach.
Hinter dem grossen Medieninteresse um den Fall Frick steht die besorgte Frage nach der Funktionsfähigkeit der Finanzmarktaufsicht. Diese Sorge ist begründet. Und zwar aus folgenden Gründen:
In Dutzenden von krummen Touren auf dem Finanzplatz blieb die Finma untätig, reagierte verspätet oder liess geschädigten Bankkunden, die an sie gelangt waren, im Regen stehen. Der Kundenschutz ist in der Schweiz extrem schwach.
In der seit vielen Jahren schwelenden Frage der Kickbacks, die auch vom Schreibenden seit 2008 immer wieder aufgeworfen und der Finma unterbreitet worden ist, wurde erst vom Bundesgericht Ordnung geschaffen. Es verbot solche verdeckten Entschädigungen an die Banken-Vermögensberater. Die Finma hätte vorher längst Ordnung schaffen müssen. Dieses Bundesgerichtsurteil war nicht nur ein Schlag gegen die UBS, sondern eine Ohrfeige für die bankenfreundliche Finma.
Die Beurteilungen der Finma über die «Gewähr für einwandfreie Geschäftsführung» – im Klartext: die Untersuchungsbefunde über die Unehrlichkeit von Bankkadern – bleiben geheim. Einen solchen juristischen Halbschatten gibt es sonst nirgends.
Die jahrelange wettbewerbsschädigende Manipulation des Liborzinses, an der die UBS zumindest in Japan beteiligt war, blieb von der Finma unerkannt. Kein Wunder, denn der damalige Japan-Chef der UBS war jener Mark Branson, der heute als Mitglied der Finma-Geschäftsleitung die Grossbanken beaufsichtigt. Der Finma-Verwaltungsrat verzichtete trotz dieser offensichtlichen Interessenkollision, Branson in dieser Frage in den Ausstand zu bitten.
Die derzeit abenteuerlichste Bankenschonung geschieht mit den Eigenmittelvorschriften, die die Banken einhalten müssten. Die Quote von 12 bis 13 Prozent Eigenmitteln, gemessen an den risikogewichteten Aktiven, ist offensichtlich manipulationsanfällig, weil die Finma die Risikogewichtung für Geschäftskredite der einzelnen Bank überlässt. Die Finanzmarktaufsicht hätte die Möglichkeit, diese nach ihrem Ermessen zu korrigieren. Laut Nationalbank, die immer wieder warnt, betragen nämlich die echten Eigenmittelquoten bei UBS und Credit Suisse nur gerade je 2,3 Prozent ihrer Bilanzsummen. Dies ist angesichts der aktuellen Risiken bei Hypothekarausleihungen sträflich tief und wird nach Ende der Tiefzinsphase bestimmt Schäden auslösen, die die Finma mitverantwortet. Direkt verantwortlich ist wiederum die Abteilung von Mark Branson.
Die «Selbstregulierung»
Es wäre falsch, die Schwäche der Finma nur auf die Personenfrage zu reduzieren. Denn erstens ist die Gesetzgebung der Finanzmarktaufsicht schwach ausgestaltet. Sie wurde seinerzeit von Professor Ulrich Zimmerli im Geist der «Deregulierung» der 1990er Jahre entworfen und stammt aus einer Epoche, als die Glaubensdoktrin von «Eigenverantwortung», «Selbstregulierung» und «Neidökonomie» ihre Exzesse trieb und jede Staatsaufsicht ein Negativstigma trug.
Zweitens signalisiert die Bankennähe von zu vielen Verwaltungsrats- und Geschäftsleitungsmitgliedern die Befangenheitsproblematik (Regulatory Capturing). Gewiss bringen diese Personen hohe Fachkompetenz aus der Branche mit, aber sie sind mit ihrer Denklogik, mit ihren Risikobeurteilungs-Modellen und mit der in ihren Kreisen gepflegten Schonkultur genau mit jenem Denksystem verhaftet, das die Finanzmärkte an die Wand gefahren hat.
Drittens ist das Rekurssystem in der Marktaufsicht generell viel zu weit ausgebaut. Gegen fast jede Finma-Verfügung werden ganze Geschwader von Wirtschaftsanwälten aus Zürcher Anwaltkanzleien aufgeboten. Diese exzessive Rekurskultur wirkt verzögernd und einschüchternd auf die Aufsichtsbehörde.
Mehr Kundenschutz
Unsere Bankenaufsicht ist ein Kind der Deregulierung der 1990er Jahre. Ihre Führungs- und Entscheidstruktur muss heute grundlegend überarbeitet werden. Anstelle eines Miliz-Verwaltungsrats aus Interessenvertretern ist ein richterliches, professionelles Entscheidorgan nötig – also eine ähnliche Struktur wie sie der Bundesrat für die Wettbewerbskommission Weko anstrebt.
Es braucht den Ausbau des Kundenschutzes mit einem Finanzdienstleistungsgesetz. Es braucht eine Umkehr der Beweislast bei Schädigung des Kunden; das heisst, die Banken und die Vermögensverwalter müssen bei Kundenschädigung beweisen, dass sie für die Verluste nicht schuldig sind.
Es braucht sodann eine Unterstellung der Hedgefonds unter die Finanzmarktaufsicht. Und schliesslich muss die Kompetenz zur Festlegung des Eigenmittelpuffers der Banken im Interesse der Systemstabilität (im Fachjargon: die makroprudenzielle Bankenaufsicht) stärker an die viel unabhängigere Nationalbank übertragen werden, wie dies in der Europäischen Union, in den Vereinigten Staaten, in Grossbritanien und Japan längst der Fall ist.
Der «Fall Frick» hat zwar schweizweit über hundert Presseartikel ausgelöst und viel Emotionalität mobilisiert. Doch viel wichtiger ist es, die regulatorische Fehlkonstruktion und Entscheidschwäche der Finanzmarktaufsicht grundsätzlich zum Thema zu machen.
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