Energiepolitik – die Chance des Gewerbes

Kolumne Strahm für Gewerbezeitung sgz , April 2011.

Energiepolitik – die Chance des Gewerbes

Auf einen Schlag ist nach der Japan-Katastrophe scheinbar die ganze Schweiz atomkritisch geworden. Jahrzehntelang bekennende Atomkraft-Befürworter prüfen plötzlich den Ausstieg. Ich persönlich traue dieser Kehrtwende nicht. Wir hatten schon eine nach Tschernobyl – eine vorläufige.

Doch, wie die zukünftige Energiepolitik auch aussehen wird, mit Sicherheit haben Investitionen in die rationelle Energieverwendung, in die bessere Energieeffizienz und zu einem gewissen Grad auch in erneuerbare Energien an Boden gewonnen.

Wenn es um Investitionen in die rationellere Energieverwendung und Energieeffizienz geht, schlägt die Stunde des Gewerbes. Das ist die Chance für die Haustechnik-Firmen in Bereichen wie Heizen, Kühlen, Lüftung, Wärmepumpen, Totalenergieanlagen. Das ist ebenso die Chance für das Isolationsgewerbe, die Fensterproduktion, das Baunebengewerbe. Das Know-how ist zum Glück hauptsächlich bei einheimischen Firmen angesiedelt, die Wertschöpfung bleibt im Inland.

Die früheren Energieprogramme des Bundes haben bezüglich technischem Know-how, Ausbildung und Erfahrungswissen positive Anreize bei mehreren tausend KMU gebracht: Sowohl das Programm „Energie 2000“ von Bundesrat Adolf Ogi als auch das Folgeprogramm „EnergieSchweiz“ von Moritz Leuenberger.

Jetzt geht es aber darum, die Chancen zu nutzen. Das Investitionspotential der nächsten zwanzig Jahre ist enorm. Es ist zum Beispiel politischer Konsens von links bis rechts, dass alle Elektroheizungen in 240’000 Wohnungen ersetzt und gleichzeitig deren Wohnungen oder Häuser energetisch saniert werden müssen. Schon nur der Ersatz dieser Elektroheizungen durch Wärmepumpen oder Totalenergieanlagen mit durchschnittlich 40’000 Franken Kosten pro Einheit ergibt ein Investitionspotential von 10 Milliarden Franken. Unter Einbezug der ganzen Gebäudesanierung in diesen Altwohnungen sind es laut Hochrechnung des Energieexperten Jürg Nipkow 30 Milliarden Franken.

Mindestens eine Million Wohnungen sind zudem energetisch sanierungsbedürftig und renditemässig sanierungswürdig. Das gibt ein errechnetes Sanierungspotential von mindestens 60 Milliarden Franken für die nächsten zwanzig Jahre.

Allerdings hat diese verheissungsvolle Hochrechnung einen Haken: Es fehlt oft  der direkte wirtschaftliche Anreiz. Denn die heutigen Energiepreise widerspiegeln nicht die zukünftigen Preissteigerungen. Der Investitionszyklus und die Abschreibungszeit von energetischen Investitionen beträgt 20 bis 30 Jahre. Deshalb ist es ökonomisch richtig, wenn man die heutigen Energiepreise höher einsetzt resp. anhebt, um die zukünftigen Kosteneinsparungen einzukalkulieren.

Die Einfamilienhausbesitzer rechnen in der Regel richtig. Sie investieren, um zukünftige Heizkosten zu sparen. Hingegen haben wir bei den Mietwohnungen ein Problem. Diese machen in der Schweiz 67% aller Wohnungen aus. Eine Verteuerung der Energiepreise, sei es durch eine Abgabe oder durch Marktpreise, wird durch die Nebenkostenabrechnung automatisch auf den Mieter überwälzt. Der Mieter zahlt die Energiekosten, aber er hat kaum Sparmöglichkeiten. Die individuelle Heizkostenrechung, die das Sparverhalten des Einzelnen beeinflusst, wurde abgeschafft. Nur der Eigentümer der Mietliegenschaft kann durch energetische Sanierungen den Energieverbrauch massgeblich steuern.

Wir haben also eine paradoxe Situation: Der Mieter zahlt die Heiz- und Warmwasserkosten, und der Vermieter müsste energetisch sanieren und investieren, hat aber keinen direkten Anreiz dazu!

Aus diesem Grund müsste der Ertrag der CO2-Abgabe als Anreiz für energetische Investitionen vollumfänglich zweckgebunden als Investitionsbeiträge eingesetzt werden. Eine Rückerstattung der Abgabe über Krankenkassenprämien oder Sozialbeiträge ist zumindest bei den zwei Dritteln Mietwohnungen wirkungslos, ja ein Unsinn. Diese Fehlkonstruktion einer angeblich „staatsquotenneutralen“ Rückerstattung ohne Zweckbindung stammt aus den marktwirtschaftlichen Schreibtischmodellen der Neunziger Jahre. Bezüglich Investitionsanreizen sind sie in der Energie- und Klimapolitik fehl am Platz.

Heute wird der Ertrag des Klimarappens zweckgebunden investiert und vom Ertrag der CO2-Abgabe sind nur 200 von 630 Millionen Franken zweckgebunden. Zwei Drittel werden ungebunden zurückerstattet. Man will den zweckgebundenen Einsatz jetzt auf 300 Millionen erhöhen, aber auch dies ist zu wenig. Man müsste die CO2-Politik vom Bundesamt für Umwelt ins Bundesamt für Energie verschieben, denn Klimapolitik ist – mit Ausnahme etwa der Kuhgase und Miststöcke – eigentlich Energiepolitik. Beim BfE ist auch das nötige technische Fachwissen angesiedelt.

Es ist im Interesse des Gewerbes, der gesamten Haustechnik-Branche und des Baunebengewerbes, wenn der zweckgebundene Einsatz der CO2-Abgabe erweitert wird. Denn Investitionsanreize sind wirksam. Bei den institutionellen Liegenschaftsbesitzern, den Pensionskassen, Versicherungen und andern institutionellen Immobilienbesitzern lässt sich ein enormes Investitions- und Sanierungspotential ausschöpfen. Und volkswirtschaftlich lassen sich jährlich Milliarden an Heizölimportkosten einsparen und Millionen an Tonnen CO2-Ausstoss vermindern.

Im September 2000 wurde eine zweckgebundene Energielenkungsabgabe von 0.4 Rappen pro Kilowattstunde mit 55% relativ knapp abgelehnt. Das Haustechnikgewerbe unterstützte sie damals geschlossen, die Economiesuisse bekämpfte sie. Ein Jahrzehnt später holt uns die gleiche Problematik wieder ein. Hoffentlich findet sich diesmal ein Kompromiss jenseits ideologischer Dogmen. Das Gewerbe wäre jedenfalls Gewinner davon.

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