Energie besteuern – aber wie ?

Kolumne in der  Unternehmer-Zeitung UZ Nr. 12 – 2012  Dez.2012

 

Energie besteuern – aber wie ?

 

Wenn man gewisse Presseschlagzeilen liest, könnte man meinen, im Bundesrat herrsche ein Zickenkrieg zwischen den Bundesrätinnen Eveline Widmer-Schlumpf und Doris Leuthard in Sachen Energiebesteuerung. „Leuthard und Widmer-Schlumpf bekämpfen sich, leise, verbissen“, behauptete ohne Beweise der Chefredaktor der Blocher-eigenen Basler Zeitung.

 

Als oberflächlicher Leser könnte man zum Schluss kommen, im Bundeshaus gäbe es einen Wettlauf für höhere Energiesteuern. Das bringt natürlich auch die alten Antietatisten und alle unverbesserlichen Verteidiger des „freien“ Energiemarktes auf den Plan, die nicht wahrhaben wollen, dass der Energiepreis in Zukunft weiter steigen wird. Wer die zukünftigen Energiepreise in sein heutiges Investitionskalkül einbezieht, spart sich Zukunftslasten. Das ist eigentlich Common Sense unter den Ökonomen.

 

Es stehen sich zwei grundlegende Konzepte gegenüber, nämlich einerseits eine zweckgebundene Energielenkungsabgabe und anderseits eine ökologische Steuerreform mit einer eigentlichen Lenkungssteuer auf Energieträgern. Doch, was sind die Unterschiede in Gestalt und Wirkung?

 

Energielenkunsabgabe mit Zweckbindung

Die Energielenkungsabgabe ist ein zentrales Element in der vom UVEK konzipierten Energiestrategie 2050. Es handelt sich um eine zweckgebundene Abgabe auf den Energieträgern. Deren Ertrag wird hauptsächlich als  Investitionsanreiz eingesetzt. Sie hat gewissermassen eine doppelte Wirkung, nämlich eine Verteuerung der nichterneuerbaren Energieträger und gleichzeitig

einen Anreiz für energetische Sanierungen, Energieeffizienz und Investitionen in erneuerbare Energien.

 

Dieses Konzept wird seit Jahren vom UVEK vertreten. Die CO2-Abgabe auf Heizöl und Brennstoffen war der Anfang. Vorreiter dieser zweckgebundenen Abgabe war die Wirtschaft selber mit dem sog. „Gebäuderappen“, dessen Erträge für Subvention für die Energiesanierung im umbauten Raum dienen.

 

Die ersten Evaluationen des Gebäudeprogramms haben ergeben, dass der Investitionsbonus tatsächlich abgeholt wird (die Nachfrage überschiesst die verfügbaren Mittel bei weitem), dass die Energieeffizienz flächendeckend erhöht wird und dass die Rate of Return der Energiesanierungen stimmt. Insbesondere ist ein beträchtlicher Beschäftigungseffekt im Inland im Gebäudetechnik-Gewerbe und im Baunebengewerbe aber auch bei erneuerbaren Energien entstanden.

 

Die Stromrechnung wird durch die CO2-Abgabe nicht verteuert. Die Elektrizitätsseite wird dagegen mit der sog. kostendeckenden Einspeisevergütung KEV belastet: Auf transportiertem Strom wird auf Hochspannungsebene eine geringe Abgabe erhoben, deren Erträge für Investitionen in Solar-, Wind-, Holz- und andere erneuerbare Energienutzungen eingesetzt wird. Sie soll auf 1 Rappen oder 1,5 Rappen pro Kilowattstunde erhöht werden – bei gewissen Entlastungen oder Rückerstattungen zugunsten der exportierenden Industrie.

 

Ökologische Steuerreform als Langfriststrategie

Das andere Konzept orientiert sich ausschliesslich an der Lenkungswirkung über den Preis: Durch Verteuerung aller Energiepreise mittels einer Ökosteuer auf Energieträgern soll ein marktwirtschaftlicher Anreiz zum Energiesparen erzeugt werden. Diese Art von Energiebesteuerung soll staatsquotenneutral (oder ertragsneutral) ausgestaltet werden, indem die Steuererträge vollumfänglich an Haushalte und Unternehmen zurückerstattet werden. Hinter diesem Modell steht die Grundüberzeugung, dass der Staat nicht mehr grösser werden soll. Sie wurde vom Eidgenössischen Finanzdepartement mit einer Studie weiter verfolgt.

 

Modellrechnungen von Ecoplan kommen zu einem positiven Schluss und postulieren per saldo positive Wohlfahrtsgewinne diese Modells. Allerdings ergeben sich bei der Rückerstattung schwerwiegende verteilungspolitische Probleme: Nach welchen Kriterien soll die Rückverteilung an Haushalte und Unternehmen vorgenommen werden? Führt eine Pro-Kopf-Rückverteilung nicht zu Verzerrungen ? Und wie ist es mit der Belastung und Entlastung von energieintensiven exportierenden Betrieben, die auf den globalen Märkten in Konkurrenz stehen?

 

Das Modell einer ökologischen Steuerreform ist intellektuell bestechend. Aber in der Anwendungspraxis wenig wirksam: Zwei drittel aller Schweizer Haushalte sind Mieterhaushalte. Mieter zahlen über die Nebenkostenabrechnung die Heizkosten. Sie bezahlen direkt auch ihre Stromkosten. Sie müssten auch die Ökosteuer allein tragen. Der Akteur in Bezug auf energetische Sanierungen ist jedoch der Hauseigentümer, doch der hat bei diesem Modell keinen Anreiz für energetische Investitionen. Diese Spaltung zwischen Zahler und Investor macht das Ökosteuersystem ineffizient.

 

Der Vergleich zwischen den beiden Modellen zeigt: Eine Million Franken nach dem ersteren Modell der zweckgebundenen Energieabgabe ist bezüglich der Energieeinsparung rund drei Mal effizienter als eine Million über die rückverteilte Ökosteuer.

 

Bundesrat etappierte die Modelle

In einem Grundsatzentscheid hat der Bundesrat im November 2012 die beiden Energiebesteuerungsmodelle klar getrennt und etappiert. Bis 2020 oder 2022 soll das UVEK-Modell mit der zweckgebundenen Lenkungsabgabe (CO2-Abgabe), kombiniert mit der weitergeführten KEV, angewandt werden. Eine ökologische Steuerreform nach dem EFD-Modell mit einer Ökosteuer auf allen Energieträgern soll erst ab 2015 politisch weiter diskutiert werden, im Blick auf die früheste Realisierung im Jahr 2022. Damit hat die Regierung einen klaren Prioritätsentscheid gefällt und den Konzeptionsstreit vorläufig beigelegt.

 

Schnapsidee Mehrwertsteuer-Ersatz

Die Jungpartei der Grün-Liberalen (GLP) sammelt derzeit Unterschriften für eine besondere Art von Ökosteuer, nämlich für die Abschaffung der Mehrwertsteuer und im gleichen Ertragsmass für die Verteuerung sämtlicher Energieträger. Dies würde bedeuten, dass die Mehrwertsteuer als stabilste und europakompatible Konsumsteuer wegfallen und dafür die Energieträger um rund 20 Milliarden Franken teurer werden müssen. Das bedeutete im Durchschnitt eine Verdoppelung sämtlicher Energiekosten. Man müsste aber die Exporteure entlasten und die erneuerbaren Energien wohl ausnehmen. Energie besteuern – aber wie. Kol. Strahm für UZ v. Dez. 2012.Somit würde die erforderliche Energiebesteuerung noch viel höher. An die wirtschaftlichen Realitäten haben die Initianten mit ihrer Schnapsidee kaum gedacht.

 

Die derzeit laufende Vernehmlassung zur Energiestrategie 2050 des Bundesrats ist erst der Anfang einer langen und ideologiebelasteten Debatte.

 

Rudolf Strahm

Energie besteuern – aber wie. Kol. Strahm für UZ v. Dez. 2012.

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