Die Mär von der Umverteilung von jung zu alt bei Pensionskassen

Kolumne von Rudolf Strahm für Handelszeitung vom 29. August 2024 ,, Seite 35

Was da zur BVG-Vorlage alles behauptet wird! “Ein Teil der Lohnabzüge der Jungen fliessen nicht mehr in die eigene Vorsorge, sondern wird verwendet, um laufende Renten zu finanzieren”, hiess es in dieser Zeitung. Man rechne mit unrealistischen Zinserwartungen: “Bezahlt werden diese Träumereien von Jungen”, wurde behauptet.

„Die Jungen zahlen für die Alten“, – diese Mär wird ständig kolportiert. Der eine schreibt sie vom andern ab. Wer studiert schon die Jahresberichte der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK-BV) des Bundes? Die jährlichen detaillierten OAK-Berichte zur finanziellen Lage der Vorsorgeeinrichtungen publizieren seit einigen Jahren die kumulierte, kalkulatorische Umverteilung aller Pensionskassen von den aktiven Versicherten zu den Rentenbezügern, respektive umgekehrt. Heute finanzieren die Pensionierten ihre Rente wieder selber und jüngst, seit 2021 und 2022, zahlten sie sogar kleine Beträge an die jüngeren, aktiven Beitragszahler:

Das sind die OAK-Zahlen für die kalkulatorische Umverteilung zwischen Aktiven und Rentenbezügern:

2018            5,1 Mrd Fr von jung zu alt

2019            7,2 Mrd Fr

2020            4,4 Mrd Fr

2021            0,2 Mrd Fr

2022            – 0,2 Mrd Fr  von alt zu jung

2023            – 0.3 Mrd Fr  von alt zu jung

Diese Transferumkehr erklärt sich dadurch, dass ältere Arbeitnehmer vor der Pensionierung ein Mehrfaches an Kapital auf ihrem 2.Säulen-Konto angespart und dadurch während der Negativzins-Phase kalkulatorisch viel stärker verloren hatten. Jetzt, nach der Zinswende, reichen ihre Kapitalerträge wieder für die Finanzierung der Rentenzahlungen aus.

Damit wäre heute die Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6,0 Prozent im obligatorischen Teil nicht mehr nötig. Die Realität hat den Gesetzgeber überholt. In den umhüllenden Kassen mit obligatorischem und überobligatorischem Teil hat der praktizierte Misch-Umwandlungssatz von heute durchschnittlich 5,2 Prozent der Alterung längst Rechnung getragen.

Was unvermindert irritierend und ärgerlich ist, sind die gesamthaft hohen Vermögensverwaltungs- und Verwaltungskosten der Pensionskassen. Im Jahr 2022 sind so, nach OAK-Methode erhoben, 8,6 Milliarden Franken versickert, was pro Versicherten (Aktive und Pensionierte) rund 1500 Franken pro Jahr ausmachte. Die Kassen-Unterschiede sind enorm; doch es gibt keine Korrelation zwischen Kapitalertrag und Verwaltungskosten.  Wir haben seit Jahren vom EDI einen veröffentlichten Kostenvergleich gefordert, mit einer vergleichenden Kennziffer aller Verwaltungskosten in Prozent der Kapitalsumme oder in Franken pro Versicherten für jeder Kasse. Diese Kostentransparenz fehlt in der BVG-Vorlage. Sie würde einen heilsamen Anlagegebühren-Wettbewerb auslösen.

Jenen Teil in der vorliegenden BVG-Vorlage, der durch eine Neuregelung des Koordinationsabzugs die Tiefsteinkommen und die Teilzeiterinnen deutlich besser stellt, würde ich absolut befürworten. Dieser unbestrittene Teil müsste nach der Ablehnung der verunglückten BVG-Vorlage unverzüglich separat ins BVG-Gesetz aufgenommen werden

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