Tages-Anzeiger – Dienstag, 20. September 2011
Politiker und Bürger zeigen sich «schockiert » und «enttäuscht» über die UBS, die erneut über 2 Milliarden Franken im Investmentbanking verspekuliert hat. In den letzten fünf Jahren hat die Bank mit ihrer weltweit operierenden Casino-Abteilung rund 55 Milliarden Franken verloren. So steht es in ihren Geschäftsberichten.
Wie der jüngste Verlustfall in London passieren konnte, ist noch nicht bekannt. Schon heute weiss man aber, dass die Verluste im Eigenhandel angefallen sind. Die UBS hatte also mit eigenen Werttiteln an den Börsen mit sich und gegen sich spekuliert. Ein besonders riskantes Geschäft.
Nur eine Woche ist es her, dass UBS-Chef Oswald Grübel erneut einen Angriff auf die «Too big to fail»-Vorlage des Bundesrats lanciert hatte. Diese Gesetzesänderung will die Banken mit höheren Eigenmittelvorschriften stabilisieren. Der ehemalige Obligationenhändler Grübel bleibt treibende Kraft beim Widerstand der Banken gegen höhere Eigenmittelvorschriften.
Grübel stand auch aktiv hinter dem anhaltenden Versuch, die Leitung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zu desavouieren. Und das deshalb, weil sie sich um höhere Eigenmittel bemüht. Noch am 11. September hatte der UBS-Chef die SNB erneut schlechtgeredet.
Ausgerechnet Oswald Grübel, der als CEO die UBS zu noch mehr Spekulation angetrieben hat. Von seinem Personal forderte er im November 2010 unverhohlen: «Das Investmentbanking muss rentabler werden.» Und den Aktionären versprach er 15 Milliarden Franken Jahresgewinn. Nur: Mehr Gewinn in Investmentbanking bedeutet automatisch grössere Risiken mit grösseren Verlusten.
Oswald Grübel wird sich trotz dieser Fehlleistungen und dem jüngsten Londoner Verlustdebakel an der UBS-Spitze halten können. Denn sein freundlicher, willfähriger Verwaltungsratspräsident ist weiter von seiner Stützung abhängig. Dies ist kein Heilmittel Ständerat und Nationalrat haben nun die «Too big to fail»-Gesetzesvorlage, die zu mehr Sicherheit der Banken führen sollte, beraten und gutgeheissen. Doch die Öffentlichkeit darf sich nicht täuschen lassen; die beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse sind noch lange nicht stabil. Die per Vorlage geforderten sogenannten «19 Prozent Eigenmittel» sind nämlich eine gewaltige Manipulationsgrösse; sie vermitteln bloss den Schein von Sicherheit. Wer als Journalist weiter von 19 Prozent Eigenmitteln schreibt, ohne diese Zahl einzuordnen, hat keinen Schimmer, wovon er redet. Dasselbe gilt für all die Unbedarften, welche die PR-Sprachregelung der Grossbanken übernehmen, diese seien die «bestkapitalisierten Banken der Welt».
Beides ist völliger Unsinn. Auf die Gefahr hin, den Leser wegen allzu grosser Komplexität vorübergehend abzuschrecken, möchte ich dennoch erklären, was es mit den 19 Prozent Eigenmitteln für eine Bewandtnis hat. Diese werden nämlich als Eigenkapital in Prozent der risikogewichteten Aktiven definiert. Risikogewichtung heisst: Jedes einzelne Wertpapier und jede einzelne Anlage der Bank wird mit einem fiktiven, angenommenen Risiko (sog. Value at Risk VaR) gewichtet.
So werden zum Beispiel Hypothekardarlehen im Standard-Ansatz nur mit 35 Prozent ihres Werts eingesetzt, bei der UBS sogar nur mit 8 Prozent. Die Geschäftsabteilung, die der UBS jetzt über 2 Milliarden Franken Verluste bescherte, wurde im Geschäftsbericht mit bloss 75 Millionen Franken Risikopotenzial (VaR) bewertet. Diese Risikobewertung ist weitgehend manipulierbar. Und die Aufsichtsbehörde Finma ist mit ihren 35 Stellen für die Kontrolle der Grossbanken kaum in der Lage, die Tausenden von Werttiteln einzeln nachzuprüfen.
Diese Manipulation der risikogewichteten Eigenmittelquote führt dazu, dass beide Grossbanken von rund 1300 Milliarden Franken Bilanzsumme nur je etwa 400 Milliarden Franken Kapitalausleihungen mit Eigenmitteln unterlegen.
Auch die Definition von Eigenmitteln ist eine Manipuliermasse: Die 19 Prozent Eigenmittel müssen erst auf Anfang 2019 bereitgestellt werden. Bis dann wird die nächste Finanzkrise längst über die Welt hereingebrochen sein.
Von den 19 Prozent sind überdies nur 10 Prozent heute effektiv vorhandenes Kapital (sog. Kernkapital CET1). Der Rest besteht aus Wandelanleihen, die im Krisenfall erst noch in einem komplizierten Verfahren in Eigenkapital umgewandelt werden müssten.
Und jetzt kommts: Wenn man die vom Basler Ausschuss vorgeschlagene (noch nicht definitiv verabschiedete) neue, ungewichtete Kapitaldefinition zugrunde legt, haben die beiden Grossbanken UBS und CS derzeit nur gerade 2 bis 3 Prozent Eigenmittel in Prozent des absoluten Kapitals.
Gemessen an der Bilanzsumme sind UBS und CS sogar weniger kapitalisiert als die USA-Banken. Mit dieser Messgrösse gehören sie heute im internationalen Vergleich zu den schwächstkapitalisierten Geschäftsbanken der Welt. Lesen Sie die Packungsbeilage Sie können das nicht glauben? Die Finanzmärkte haben die Schwäche erkannt: Für die UBS sind seit Anfang Jahr die Kreditrisikokosten, also die Versicherungsprämien für ihre Kredite, von 1,0 auf 2,2 Prozent mehr als verdoppelt worden. Ein Zeichen dafür, dass man der UBS nicht traut.
Also muss der Bundesrat in der nächsten Legislaturperiode gleich wieder ans Werk gehen. Erstens muss er eine Aufspaltung der Grossbanken seriös prüfen: in eine solidere Vermögensverwaltungs- und Kreditbank – und in eine Investmentbank mit Casino-Charakter. Seriös heisst: frei von jenem Parteipopulismus, der bisher nur die Erhöhung der Eigenmittel verhinderte. Anleger und Bezüger von Bankkrediten, vor allem auch KMU, wären froh darüber.
Und zweitens gilt es, wie in der EU und den USA, den spekulativen Handel der Grossbanken mit eigenen Kapitalien (Eigenhandel) einzuschränken. Eigenhandel ist volkswirtschaftlich schädlich und dient nur dazu, die Boni der Investmentbanker aufzufetten.
Und drittens muss das Schattenbanking ausserhalb der Banken mit Hedgefonds und anderen hochspekulativen Finanz-Massenvernichtungswaffen auch bei uns der Finanzmarktaufsicht unterstellt werden. Denn sie stellen heute das global grösste Systemrisiko dar.
Bedingung ist dazu viertens: eine unabhängige, also unbestechliche Regierung, die der Bankenoligarchie widersteht.
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