Kolumne Rudolf Strahm für Unternehmer-Zeitung UZ Februar 2013.
Vom Schlucken der „Fatca-Kröte“ ist die Rede. Von einer „ungeniessbaren Fatca-Suppe“, die vom Parlament wohl nur „mit Murren, Knurren und Zähneklappern“ aufgenommen werde. So wird das neue Bauchweh-Gewächs der helvetischen Politik in der Presse vorgestellt.
Der „Foreign Account Tax Compliance Act“, so heisst das Kürzel Fatca, ist ein gesetzgeberisches Tentakel, das die USA praktisch allen Finanzplätzen und grösseren Geschäftsbanken der Welt aufzwingen. Es bezweckt die Erfassung der amerikanischen Steuerflüchtlinge in aller Welt und die Vermeidung von fiskalischen Ausweichmanövern durch amerikanische Bürger und Firmen. Kaum eine grössere Bank, die mit den USA geschäftet oder Finanztransfers abwickelt, wird in Zukunft der Fatca-Regulierung ausweichen können.
Vor ein paar Monaten hat Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf den Fatca-Vertrag mit den USA unterzeichnet. Bis im Herbst dieses Jahres muss er vom eidgenössischen Parlament ratifiziert werden, damit er auf den 1. Januar 2014 gleichzeitig mit den analogen Fatca-Verträgen der EU-Staaten in Kraft gesetzt werden kann. Nicht die Politik, sondern die Grossbanken insistierten auf Eile. Und sie werden über ihre Wasserträger auch das Parlament zur Ratifikation bewegen.
Die Grossbanken wollten quasi-automatische Datenlieferung
Die USA hatten den Staaten mit relevanten Finanzplätzen und Geschäftsbanken zwei Modelle für die Kooperation gegen Steuerflucht angeboten. Fatca I installiert ein Anfragesystem über die Regierungen: Wenn der amerikanische Fiskus an die äusländische Regierung (in der Schweiz z.B. ans Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen) gelangt, ersucht diese die Banken auf ihrem Staatsgebiet um Herausgabe von Bankkunden-Daten, und diese Daten werden regierungsamtlich an die USA überwiesen.
Fatca II läuft direkt: Die US-Steuerbehörde resp. die US-Justiz ersucht die Schweizer Bank direkt um die Lieferung von Bankdaten über amerikanische Bankkunden in der Schweiz oder bei schweizerischen Bankniederlassungen irgendwo auf der Welt. Die Bank liefert die Daten direkt an die amerikanische Regierung und sie unterwirft sich auch der amerikanischen (exterritorialen) Anwendung des amerikanischen Steuerrechts.
Die Schweiz konnte zwischen Fatca I und Fatca II wählen. In Anbetracht der regelmässigen Eiertänze, die die Schweiz bei jedem ausländischen Amtshilfebegehren vollführt, müsste man annehmen, Fatca I sei für die souveränitätsbedachte Schweiz naheliegend. Doch nein, die Grossbanken wollten Fatca II, also eine direkte exterritoriale Anwendung des amerikanischen Rechts auf Schweizer Boden. Weshalb? Die grossen Banken erhalten dadurch einen erleichterten Zugang zum amerikanischen Finanzmarkt.
Freilich kann ein amerikanischer Bürger mit Vermögen in der Schweiz die Datenlieferung durch seine Bank ablehnen. Doch in diesem Fall muss die Schweizer Bank dies der amerikanischen Behörde melden und diese hat das Recht via Gruppenanfrage über ein Amtshilfebegehren an die Schweiz zu gelangen. Dieses Ersuchen muss innert acht Monaten erledigt sein – frühere dauerten solche Amtshilfeverfahren Jahre.
Damit wird ein quasi-automatischer Bankdatentransfer von der Schweiz nach den USA installiert. Denn die Grossbanken brauchen die unbürokratische Preisgabe des Bankgeheimnisses. (Man vermeidet aus naheliegenden Gründen den Begriff des automatischen Datenaustauschs, weil an diesem der Geruch von „Brüssel“ haftet und dieser lange verteufelt worden ist.)
Vierzigjährige Vorgeschichte
Fatca ist der vorläufige Endpunkt einer langen Serie von Aufweichungen des Bankgeheimnisses. Bereits 1972 verlangten die Vereinigten Staaten von der Schweiz erstmals eine Lockerung des Bankgeheimnisses im Falle von Mafiageldern. Die Schweiz zögerte, doch unter der Drohung, dass die USA Retorsionsmassnahmen gegen Uhren und Käse ergreifen würden, willigte die Schweizer Regierung ein, mit dem Rechtshilfeabkommen eine Auskunftserteilung unter Aufhebung des Bankgeheimnisses beim Organized Crime zuzulassen.
Mitte der 1980er Jahre wollten die USA von der Schweiz eine Strafbarmachung der Geldwäscherei sowie der Insidervergehen. Bundesbern musste sich anpassen, damit in diesen Straffällen das Bankgeheimnis für die Rechtshilfe an die USA aufgehoben werden konnte.
Mitte der 1990er Jahre standen die Schweizer Banken erneut unter ausländischen Druck wegen der Nachrichtenlosen Gelder von Holocaust-Opfern oder deren Angehörigen. Zuerst wehrte sich die Bankenbranche. Dank der Vermittlung des damaligen CS-Präsidenten Rainer Gut kam ein Einlenken zustande: die Schweizer Banken zahlten zusammen 1,9 Milliarden Franken an Holocaust-Opfer. Bundes-Bern samt Bankenszene hatte sich erst bewegt, als mächtige Finanzkreise in den USA mit Boykottmassnahmen gegen Schweizer Banken drohten.
Im Jahr 2001 mussten die Schweizer Banken einwilligen, sich als „Qualified Intermediary“ zu registrieren, also als Finanzintermediär, der zur Zusammenarbeit mit der amerikanischen Steuerbehörde bereit war. Auch da war der Marktzugang von Schweizer Banken in den USA bedroht.
Auch in den Zeiten nach dem Einbruch der Finanzkrise 2009 musste sich die Schweiz bewegen, indem sie die seit jeher vom Ausland kritisierte Unterscheidung in Steuerhinterziehung und Steuerflucht auf Druck der OECD preisgab. Die OECD hatte vorher mit einer schwarzen Liste gedroht, auf der die Schweiz figurieren würde.
Es war 2009 die UBS selber, die in Bern diskret nach einer Aufhebung des Bankgeheimnisses für Datenlieferungen an die USA nachsuchte. Die Bank und ihre Direktoren waren in den Würgegriff der US-Justiz geraten. Zwei Jahre später standen die Credit Suisse und zehn weitere Banken in den USA unter Anklageverdacht. Und auch sie lobbyierten in Bundebern erfolgreich zugunsten der Datenlieferung.
Die Schweizer Politik hatte eigentlich nie die Kraft, in Sachen Steuerflucht und Bankgeheimnis unser Haus in Ordnung zu bringen. Stets war es der Druck des Auslandes, der uns zum Handeln zwang. Mit dem Fatca-Abkommen wird diese historische Tradition bloss fortgesetzt.
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