Die im Freihandelsabkommen mit Indonesien festgelegten Regeln für den Import von Palmöl sind ein Fortschritt. In der Abstimmung zum Abkommen ist das ein Ja sinnvoll.
Kolumne von Rudolf Strahm in TA-Medien 23. 2. 2021
Ich gestehe, im letzten Herbst war ich noch für die Ablehnung des Freihandelsabkommens mit Indonesien. Ich glaubte den Seco-Unterhändlern nicht, wenn sie den Handelsvertrag als «nachhaltig» rühmten. Und der Economiesuisse, die kurz zuvor die Konzernverantwortungsinitiative mit allen Mitteln bekämpft hatte, kauft heute niemand ab, wenn sie jetzt von Nachhaltigkeit säuselt.
«Nachhaltigkeit» ist zwar heute ein Plastikwort. Jeder Brennstoffhändler, Börsenmakler oder Tourismusdirektor kann es benutzen. Doch nach der Präsentation der konkretisierenden Ausführungsverordnung des Bundesrats zum zollvergünstigten Palmöl muss man die vorgesehenen Vollzugsgarantien in Betracht ziehen und würdigen. Davon später.
Ausgangspunkt des heutigen Palmöl-Dilemmas ist die tiefe Vertrauenskrise des globalen Freihandels. Die heutige Kritik an der globalen Freihandelspolitik hat sich die Freihändler selbst zuzuschreiben. Ich könnte zu meiner eigenen Geschichte schreiben. In jungen Jahren arbeitete ich bei der Unctad, der Welthandelskonferenz der UNO, danach als Geschäftsführer der Erklärung von Bern, heute Public Eye.
Das Zoll- und Handelsabkommen Gatt und die Nachfolgeorganisation WTO waren während langer Jahrzehnte sozial und ökologisch blind gegenüber allen Schäden der Globalisierung. Die Forderungen der Zivilgesellschaft nach Sozialstandards und Ökostandards im globalen Handel wurden ignoriert, ja als ideologisch und wirtschaftsschädigend abqualifiziert. Heute ist die WTO in einer Existenzkrise. Die Globalisierung ist auch durch ihre ökologischen und sozial blinden Wiedergänger in dieser Sackgasse manövriert worden.
Die kommende Abstimmung zum Freihandelsabkommen mit Indonesien wird jetzt aus dem aufgestauten Unbehagen gegen den Freihandel zu einem plebiszitären Exempel. Das Palmöl gilt als Symbol für Tropenwaldzerstörung und Globalisierungsschäden. Im Hintergrund steht auch das Bangen um das ausgehandelte, viel bedeutendere Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay. Bei diesem geht es um Fleisch- und Sojaimporte, etwa um die Kennzeichnung von naturgemäss produziertem Weidefleisch gegenüber Fleisch aus Tierfabriken.
Dieses Indonesien-Abkommen ist der weltweit erste Handelsvertrag, der Nachhaltigkeit ins Pflichtenheft aufnimmt und Kontrollen zulässt. Eine Zollvergünstigung in der Schweiz und in den Efta-Ländern wird für Palmöl nur dann zugestanden, wenn es aus ökologisch verträglicher Produktion stammt. Dies ist ein Paradigmenwechsel gegenüber allen bisherigen 40 Freihandelsabkommen und gegenüber den WTO-Welthandelsregeln.
Noch viel wichtiger als die Nennung der Nachhaltigkeit ist deren Kontrolle. Denn in Indonesien herrschen Korruption und Klientelwirtschaft. Die Kontrolleure sind dort käuflich. Mit der Ausführungsverordnung des Bundesrats zum Abkommen soll nun der Kontrollmechanismus konkretisiert und vorgeschrieben werden. Bundesrat Guy Parmelin hatte das politische Gespür dafür, dass eine unabhängige Prüfung durch NGO und das Bundesamt für Umwelt nötig ist.
Mit der Palmölverordnung erhalten auch die NGO erstmals beim Vollzug eines Freihandelsabkommens ein Melde- und Mitwirkungsrecht. Das Seco wehrte sich verwaltungsintern gegen den Einbezug der Zivilgesellschaft. Doch Bundesrat Parmelin sprach ein Machtwort dafür aus.
Mit diesem Abkommen erhält Palmöl nur dann eine Zertifizierung für die Zollvergünstigung, wenn es aus Böden stammt, die vor 2005 gerodet worden sind. Damit wird die Neurodung von Tropenwäldern wenigstens nicht gefördert. Die ganze Lieferkette muss bis zum Produzenten zurück verfolgbar sein. Das zertifizierte Palmöl darf nur in normierten, nummerierten Containern mit Herkunftsnachweis bis maximal 22 Tonnen transportiert werden, um Vermischungen zu verhindern. Die Zertifizierung des Palmöls aus ökologischem Anbau muss periodisch überprüft werden. Diese von der Schweiz aus überwachte Rückverfolgung zu den Produzenten verleiht auch den Basisbewegungen in Borneo und Sumatra indirekt eine wirksamere Stimme bei der Beurteilung der Ökologie- und Menschenrechtssituation in ihrer Region.
Diese im Abkommen und in der Palmölverordnung neu fixierten Kontrollen sind ein Schrittwechsel in der Freihandelspolitik, ein behutsamer Weg aus der Glaubwürdigkeits-Sackgasse. Er kommt den Forderungen jener NGO entgegen, die als «Altermondialistes» weder das Extrem des ökologisch und sozial blinden Freihandels noch das Extrem totaler Marktabschottung, vielmehr einen faireren Welthandel mit Öko- und Sozialstandards anstreben.
Ich denke, man sollte diesen Paradigmenwechsel würdigen und ein kritisches Ja zum Indonesien-Abkommen wagen. Was ist gewonnen, wenn es abgelehnt wird? Die Palmölimporte laufen dann aus Malaysia weiter. Die Zertifizierung wird weiterhin nur den Händlern überlassen. Nachhaltigkeit und Menschenrechtspolitik finden weiterhin keinen Platz im Staatsvertragsrecht. Die von den Gegnern propagierte Alternative, nämlich Rapsanbau bei uns statt Palmöl, zeigt keine bessere Ökobilanz und benötigt hier zweieinhalbmal mehr Kulturland.
Es gibt allerdings noch ein Risiko: Die Gefahr besteht, dass Lobbys aus der Wirtschaft nach der Volksabstimmung die Palmölverordnung wieder abschwächen wollen. Wenn Bundesrat Parmelin dies zulässt, kann er sich allerdings das nachfolgende, viel wichtigere Mercosur-Abkommen gleich abschminken.
Publiziert 23. 2. 2021 um 06:00 Uhr